Historische Rückblicke
Historische Rückblicke sind dieses Jahr in Deutschland recht häufig: Man gedenkt des großen Reformators Martin Luther und des politischen Philosophen Karl Marx Oder erinnert an Hitlers folgenschwere Machtergreifung. Die Rüdesheimer feiern ihr hundertjähriges Niederwalddenkmal, die Binger tausend Jahre staatliche Verbindung zu Mainz. Noch mehr Anlaß zum Feiern haben die Appenheimer, sind es doch gerade 1100 Jahre her, daß ihre Gemeinde erstmals in einer Urkunde erwähnt wird. Appenheim ist also älter als manche moderne Weltstadt – Grund genug, sich mit seiner Vergangenheit zu befassen.
Die Beschäftigung mit der langen Appenheimer Geschichte wäre aber unnütz, würde sie nur dem Stolz auf das hohe Alter des Ortes dienen. Vielmehr kann uns eine solche Rückschau besser verständlich machen, wie es zu den Verhältnissen kam, in denen wir heute leben. Dafür eignet sich die Ortsgeschichte besonders gut, ist sie doch – von ihren einzigartigen Zügen abgesehen – in vielem das Spiegelbild der Weltgeschichte. Dieser Zusammenhang zwischen „großer“ und „kleiner“ Geschichte soll im Folgenden immer wieder gezeigt werden. Außerdem bietet die Geschichte eines Dorfes wie Appenheim die Chance, das Leben unserer Vorfahren anschaulich zu machen, sozusagen den historischen Alltag zu beschreiben. Von ihm wird in dieser Appenheimer Geschichte oft die Rede sein, von den Arbeitsformen und Arbeitsbedingungen der Bauern, von ihrem Leid und Streit, aber auch von Jahrzehnten friedlichen Zusammenlebens und tatkräftigen Aufbaus.
Seinen Geschichtsschreiber hat Appenheim schon gefunden. Es war der Pfarrer Johannes Würth, der anläßlich der Erweiterung der evangelischen Kirche 1908 eine ausführliche „Geschichte der Gemeinde und Pfarrei Appenheim“ herausgab. Würths Schrift – die auf umfangreichem Quellenmaterial und langen Forschungen beruht – kann und soll hier nicht überboten werden. Dennoch bedürfen seine Aussagen der Ergänzung: Wir müssen die Chronik bis in die Gegenwart fortführen und in einigen funkten anhand neugefundener Quellen korrigieren; außerdem beurteilen wir manche historische Vorgänge anders als das zu Zeiten Würths üblich war. Denn auch die Geschichtsschreibung ist – bei allem Streben nach Wahrheit – von ihrer Umwelt beeinflußt und setzt ihre Schwerpunkte heute anders als damals. Mit diesen Voraussetzungen wollen wir uns nun der Appenheimer Geschichte zuwenden.
Verfasser: Dr. Franz Dumont aus Mainz Beitrag von 1983