Freilich erfuhren die Appenheimer zunächst nur durch Gerüchte und Propaganda etwas über die turbulenten Ereignisse in Frankreich, über den Sturm auf die Bastille, die Erhebung der Bauern und den Sturz des Königs (10. August 1792). Gerade damals aber griff die französische Revolution an den Rhein aus: Nachdem eine deutsche Invasion zur Rettung des Königtums gescheitert war, konnten die Franzosen im Oktober 1792 Rheinhessen und die Pfalz kampflos besetzen. Zusammen mit ihren deutschen Anhängern – den Jakobinern oder „Klubisten“ -versuchten sie nun von Mainz aus, die Einheimischen zur Annahme der republikanischen Staatsform und zum Anschluß an Frankreich zu bewegen. Allerdings war Appenheim -wie die ganze Kurpfalz – von dieser Revolutionierung ausgenommen; denn der Kurfürst von Pfalz-Bayern hatte sich neutral erklärt und die Franzosen brauchten ihn als Bundesgenossen gegen Österreich. Trotzdem sind 1792/93 sicher auch in unserem Dorf die Parolen von „Freiheit und Gleichheit“ bekanntgeworden, zumal es in GauAlgesheim recht rührige „Klubisten“ gab, und die Mainzer Jakobiner durch anonyme Flugschriften gerade in der Kurpfalz Begeisterung für die Revolution zu wecken suchten.
Auf dem Land war die kurze, politisch aber sehr bewegte Zeit der „Mainzer Republik“ schon im April 1793 zu Ende. Damals gelang es nämlich den Deutschen, fast ganz Rheinhessen und die Pfalz zurückzuerobern und die Franzosen in Mainz einzuschließen. Nun begann die schwere, viermonatige Belagerung von Mainz, die auch für Appenheim große Belastungen brachte. Es gab Einquartierungen deutscher Truppen und im Sommer 1793 mußten etliche Appenheimer beim Bau von Schanzen und Schützengräben vor Mainz aushelfen. Selbst als die französische Garnison dort kapituliert hatte, verlagerte sich der Kriegsschauplatz nur für kurze Zeit nach Süden. Schon 1794 waren die Franzosen wieder im Anmarsch auf Mainz, das sie in den nächsten zwei Jahren mehrfach belagerten. Damals mußten die Appenheimer „allerhand Essen an die Franken“ (Franzosen) abgeben. So heißt es in der Gemeinderechnung von 1794, und bis 1797 sind die Abrechnungen voll von Hinweisen auf die unruhigen Kriegszeiten. Wir lesen von Durchzug und Einquartierungen von Franzosen, Sachsen, Preußen und Österreichern, von Ausgaben für Lieferungen, die in Weiß- und Rotwein, in Stroh, Branntwein, Kaffee, Speck, Tabak, Steinkohlen, Hufnägeln, Pfeifen, Tran, Eisen, Nägel, Fleisch, Stiefel und kostbarem Leinen bestanden, ja, vom Abtransport etlicher Pferde und von den zahllosen „Fronfuhren“ für die fremden Heere. Die „Kriegskosten“ der Gemeinde Appenheim beliefen sich 1794/95 auf 3137 Gulden, ein Jahr später auf 8642 Gulden und erreichten 1796/97 die Höhe von 9682 Gulden. Längst war die Losung der Franzosen „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ zur Farce geworden, doch auch die Deutschen benahmen sich keineswegs besser. Mehrfach mußte der Appenheimer Schultheiß als Geisel für „Brandschatzungen“ in Arrest oder mußte die Gemeinde willkürlich angesetzte „Executionsgelder“ zahlen. Immerhin konnte Appenheim froh sein, daß es nicht dasselbe Schicksal erlitt, wie das benachbarte Schwabenheim, das 1796 von den Franzosen aus nichtigem Anlaß in Brand gesteckt wurde. Wie schlecht die Zeiten aber auch bei uns waren, zeigt die Abnahme der Dorfbevölkerung: Betrug sie 1793 noch 565 Einwohner, so waren es zwei Jahre später nur noch 522, 1796 516 und 1797 war die Zahl auf 495 gesunken.
So atmeten die Appenheimer auf, als die Kampfhandlungen eingestellt wurden und es im Oktober 1797 zum Frieden zwischen Frankreich und Osterreich kam, durch den das linke Rheinufer zu Ende des Jahres französisch werden sollte. Die jahrhundertealte Zugehörigkeit zur Kurpfalz nahm damit ein Ende und auch für Appenheim begann 1797 eine ganz neue Zeit. Um das den Einheimischen klar zu machen, ließen die Franzosen allenthalben „Freiheitsbäume“ pflanzen. Diese sahen den Kerbebäumen sehr ähnlich, waren Eichen-oder Fichtenstämme, blau-weiß-rot angestrichen und mit eben solchen Bändern verziert. Die Freiheitsbäume symbolisierten die neue Ordnung, also die Republik, die Menschenrechte sowie die politische Freiheit und Rechtsgleichheit der Bürger. Auch in Appenheim wurde ein solcher Baum gepflanzt: Dies geschah am 21. Januar 1798, dem fünften Jahrestag der Hinrichtung des französischen Königs. Dazu heißt es in einem etwas jüngeren Bericht: „Der Freiheitsbaum, eine Eiche, wurde wie folget vor das Gemeindehaus gepflanzt: Morgens um 7 Uhr wurde das Fest mit allen Glocken angeläutet. Nachmittags 2 Uhr wurde der Baum gesetzt, unter Leitung des damaligen Agenten Friedrich Schmuck und im Beisein von seinem Bruder Peter Schmuck, Agent zu Niederhilbersheim . . ., der alles aufbot, die Feierlichkeit zu erhöhen und die Luft ertönend zu machen von dem Rufe: „Vive la republique“,wobei die Anwesenden ihre Hüte oder Kappen abziehen und in der Luft schwingen sollten, was aber beinahe gänzlich unterblieb, indem die Gemeinde selbst für diese Freiheit keine Sympathie zeigte.“
Es war aber wohl eher Abwarten als Ablehnung, das die Appenheimer in ihrer Haltung gegenüber all den neuen Dingen bestärkte. So auch zu dem „Revolutionskalender“, der sofort eingeführt, aber von vielen noch nicht beachtet wurde. Noch schien der Herrschaftswechsel nicht endgültig, und es war keine Seltenheit, daß sich Friedrich Schmuck im Januar 1798 nach französischer Vorschrift als „Agent“ bezeichnete, und im Juni noch bzw. wieder seinen alten Titel „Schultheiß“ führte. Diese Unentschlossenheit der Einheimischen kannten die Franzosen nur zu gut, und so suchten sie die „Befreiten“ enger an sich zu binden. Dazu wurde im Frühjahr 1798 eine Unterschriftenaktion für die „Rennion“, also die Vereinigung mit Frankreich gestartet. Sie sollte außerdem die Angliederung des linken Rheinufers an Frankreich als Wunsch der Einheimischen erscheinen lassen. In alle Dörfer kamen von Mainz ausgesandte Kommissare und riefen zur Unterzeichnung einer solchen „Reunionsadresse“ auf. In unserem Raum war es Lorenz Sala, französischer Beamter in Oberingelheim, der den Appenheimern im Mai 1798 eine entsprechende Erklärung vorlegte. In ihr hieß es: „. . . da uns die unsterblichen Siege der Franken von unserem Unterdrücker befreyet und . . . uns selbst frey gemacht haben, so erklären wir hiermit aufs feyerlichste und aus freyem Willen, daß wir aller ferneren Ergebung an willkürliche, despotische, oligarchische, monarchische, aristokratische, theokratische Regierungen und den verschiedenen Abtheilungen derselben entsagen und abschwören und mit der großen Republik unwiderruflich vereinigt seyn wollen.“
Gab dieser feierliche Text vielleicht auch mehr die Wünsche von Kommissar Sala (er hatte sich 1792/93 als eifriger Jakobiner betätigt) wieder, so formulierten die Appenheimer in einem Zusatz doch ein echtes Anliegen. Sie erklärten nämlich: „Wir Unterschriebene von der Gemeinde Appenheim unterzeichnen uns der Republik, doch so in unserm bißher gehabten Religions Exerziß(!)ium beibehalten zu lassen“. Wie beim Übergang von einem Fürst zum anderen wollten sie sich damit bestehende Rechte, vor allem die der „Religionsdeklaration“ von 1705, sichern. Der Zusatz zeigt zudem, wie sehr konfessionelle Fragen das Gemeindeleben in Appenheim prägten. Die so „erweiterte“ Reunionsadresse unterschrieben dann 85 der insgesamt 565 Appenheimer. Dies entsprach etwa den Zahlen in den Nachbargemeinden Bubenheim, Engelstadt, Niederhilbersheim und Horrweiler, wo meist auch nur die Hälfte der erwachsenen Männer – sie allein waren stimmberechtigt – unterzeichnet hatte.
Das Original dieser Reunionsadresse von 1798 liegt im Pariser Nationalarchiv und ist von folgenden Appenheimern unterschrieben:
„Rolar, catholischer Pfarrer – E. J. Dupont, reformierter Volkslehrer (Pfarrer) – Friedrich Schmuck – Heinrich Lauser – Wilhelm Grossardt – Philipp Boller – Friedrich Dell – Joseph Schmitt – Georg Gaul – Adam Gebhard -Johannes Bieser – Wilhelm Matthias – Frantz Peil – Friedrich Knewitz -Theodor Bockius – Wilhelm Knewitz Johannes Boller – Peter Röhl – Peter Becker – Georg Gans -Johannes Fleischer Friedrich Rodenmayer – Kilian Wolf- Adam Zielauff- Georg Boller-Johannes Keller – Friedrich Gehindi – Friedrich Best – Peter Kleysinger – Georg Jacob Wallmanach – Dr. Hertwig – Jud Affram – Adam Boller – Friedrich Becker – Henrich Mindel – Pilip Henrich Wezler -Wentel Miller- Peter Knewitz – Wilhelm Theobald – Christian Großartt – Henrich Scheungel (?) -Michel Brendel junior – Friedrich Brendel – Johann Philipp Wetzler – Joseph Rupert – Christ. Bergmann – Valtin Erbes – Henrich Erbes – Adam Bockius – Philipp Kalsch -Johannes Matthias -Leonhardt Matthias Henrich Mindel – Nicolaus Andreae -Jacob Schmidt – Henrich Bockius -Sebastian Gruber – Caspar Knewitz – Philipp Weppler – Friedrich Müller – Georg Schmitt-Johannes Boller Junior – Gabriel Schwabenland – Jacob Schott -Philipp Gau – Henrich Boller – Stoffel Weisen(heimer?) – Adam Thomas – Henrich Boller -Wilhelm Rodenmeyer – Philipp Rothemayer j unior- Martin Hamel – Christian Knewitz -Leonhart Schwabenland – Jud Mattäus (?) – Henrich Klippel – Friedrich Weppler – Christian Bender- Georg Linck- Friedrich Scharth – Leonharth Boller- Johannes Pforth – Philipp Rodenmayer der mitler – Friedrich Stauth – Eduard Stauth“.
Als diese (hier in der ursprünglichen Reihenfolge und Schreibweise wiedergegebenen) Unterschriften in Paris eintrafen, war der Anschluß Appenheims an Frankreich längst vollzogen. Denn schon im Januar 1798 hatten die Franzosen das linke Rheinufer nach ihren Vorstellungen verwaltungsmäßig neu eingeteilt. Das Gebiet zwischen Speyer und Bingen wurde nach seiner höchsten Erhebung „Departement vom Donnersberg“ genannt, von Mainz aus verwaltet und in 37 „Kantone“ eingeteilt. Appenheim kam zum Kanton Ober-Ingelheim, dem auch Gau-Algesheim, Bubenheim und Niederhilbersheim angehörten; Oberhilbersheim lag im Kanton Wörrstadt. Damit war das bunte Mosaik kleiner und kleinster Herrschaften, wie es jahrhundertelang bestanden hatte, beseitigt. Auch für Appenheim zerschnitt die neue Verwaltungsgliederung gewachsene Bindungen -z. B. nach Stromberg und Mannheim und schuf erstmals engere Beziehungen zu Mainz. Nächsthöhere Verwaltungsstelle war Ober-Ingelheim, wo Friedensrichter und Notar saßen, vor allem aber die „Munizipalverwaltung des Kantons“. Diese Behörde könnte man mit einer modernen Verbandsgemeindeverwaltung vergleichen, denn ihr gehörten unter einem Präsidenten (das war der bereits erwähnte Lorenz Sala) die Vorsteher („Agenten“) aller Kantonsorte an. Agent von Appenheim war Friedrich Schmuck, 1786 kurpfälzischer Schatzungsempfänger, seit 1792 Schultheiß des Dorfes. Auch Schmuck war nicht von seinen Mitbürgern gewählt, sondern von der Mainzer Departementsverwaltung eingesetzt bzw. bestätigt worden. Hatten doch die Franzosen, um die Verwaltung nicht ins Stocken zu bringen und um kein politisches Risiko einzugehen, in den neu angegliederten Gebieten die von der Verfassung vorgesehene Wahl der Beamten „vorläufig“ ausgesetzt. Die Ernennung von Ortsvorstehern wurde zum Dauerzustand, nachdem Ende 1799 Napoleon die Macht übernommen hatte. Nun verschwanden die „Kantonsverwaltungen“, die immerhin als Kollegium entschieden hatten, ebenso die ähnlich arbeitende „Zentralverwaltung“ des Departements. An dessen Spitze trat ein „Präfekt“, den Paris mit großen Vollmachten ausstattete. Auch auf der Ortsebene setzte sich das „Ein-Mann-Prinzip“ durch; der „Agent“ wurde vom „Maire“ abgelöst, der ebenfalls allein entscheiden konnte – soweit ihm die zahlreichen Vorschriften aus Mainz und Paris noch Spielraum ließen. Appenheim wurde mit Niederhilbersheim zu einer „Mairie“ zusammengefaßt, an deren Spitze zunächst Friedrich Schmuck, dann sein Bruder Peter stand. Stellvertreter des Maire war der „Adjoint“ oder „Adjunkt“, in Appenheim spätestens seit 1806 Bernhard Bollen.
Noch wichtiger als diese Änderungen in der Verwaltung war der gesellschaftliche Wandel, der sich durch die Franzosenzeit vollzog. Auch in Appenheim beseitigte sie die letzten Reste des Mittelalters. Schon 1798 wurden alle „Feudallasten“, darunter Zehnten und Frondienste, sowie alle Standesunterschiede aufgehoben. Die Grundherrschaft war mit einem Federstrich beseitigt, ebenso die Leibeigenschaft. Auch die Juden erhielten nun dieselben Rechte wie alle Staatsbürger, mußten allerdings neue Familiennamen annehmen. Ihre „Emanzipation“ während der Franzosenzeit hat sicher dazu beigetragen, daß die Zahl der Juden von 13 (1801) auf 27 zu Mitte, ja auf 38 gegen Ende des 19. Jahrhunderts stieg. Seit 1798 waren alle Appenheimer rechtlich einander gleichgestellt und nur dem Staat untertan; die Amtspersonen redeten sich gegenseitig mit „Bürger“ an und die Floskeln der Unterwürfigkeit verschwanden aus dem amtlichen Schriftverkehr. Die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz war auch einer der Hauptgrundsätze des 1804 von Napoleon eingeführten „Code Civil“; dieses bürgerliche Gesetzbuch blieb im Linksrheinischen übrigens bis 1900 in Kraft. Einfluß auf die Lebensführung der Appenheimer hatte auch die Einführung der „Zivilstandsregister“: Seit 1798 wurden Geburten, Heiraten und Sterbefälle nicht mehr allein vor dem Pfarrer bezeugt, angemeldet odergeschlossen, sondern vor dem Adjunkten des Ortes. Die Verpflichtung zur staatlichen Registrierung von Neugeborenen, Ehepaaren und Toten war mehr als eine Formsache. Denn sie gab dem Staat mehr Einblick in das Leben der Bürger, diesen aber vor allem die Möglichkeit, sich ohne Rücksicht auf Kirchengebote trauen – und scheiden! -zu lassen.
Ganz allgemein wurde mit der Einführung der Zivilstandsregister auch in Appenheim einer Verweltlichung des Lebens Vorschub geleistet. Das lag durchaus im Sinn der Pariser Regierung, deren Innenpolitik bis Ende 1799 sogar ausgesprochen kirchenfeindlich war. Das zeigte sich im Verbot von Prozessionen und dem Tragen geistlicher Amtstracht, aber auch in der massiven Beschränkung des Glockenläutens. Unter Napoleon besserte sich die Lage der Kirchen, denn der „Erste Konsul“ und spätere Kaiser schätzte die Religion als staatserhaltend ein. Deshalb schloß er 1801 mit dem Papst ein Konkordat und erließ 1806 für die Protestanten Frankreichs die „Organischen Artikel“. Beides brachte auch für Appenheim wieder mehr Ordnung in das kirchliche Leben: Die in den letzten Jahren mehrfach verwaiste katholische Pfarrei wurde aufgelöst und Filial von Oberhilbersheim; die evangelischen Appenheimer gehörten mit ihrer Pfarrei nun zum „Consistoire“ Ober-Ingelheim. Natürlich waren die konfessionellen Reibereien damit nicht beendet, doch drang Maire Schmuck auf Geheiß des Präfekten immer wieder auf einen Ausgleich zwischen Protestanten und Katholiken; und in Mainz nahm man mehr Rücksicht auf die konfessionellen Verhältnisse in Appenheim, indem man nur evangelische Ortsvorsteher ernannte. Im Konkordat von 1801 hatte der Papst übrigens der Verstaatlichung des Kirchenbesitzes zustimmen müssen, was enorme wirtschaftliche und soziale Folgen nach sich zog. So begann auch in Appenheim 1802/03 der Verkauf der bereits seit 1798 beschlagnahmten „Nationalgüter“, d.h. des vorwiegend geistlichen Grundbesitzes; die Pfarrgüter waren von diesen Maßnahmen allerdings ausgenommen. Damit verschwanden die Klöster und Stifter als Großgrundbesitzer aus der Appenheimer Gemarkung. Für meist wenig Geld konnten die Bauern die „Nationalgüter“ ersteigern. Meist waren die neuen Besitzer die früheren Pächter, die nun aber richtiges Eigentum an dem von ihnen bearbeiteten Boden besaßen. Das war natürlich ein Anstoß zu intensiverem Anbau und führte in ganz Rheinhessen zu einem Aufschwung der Landwirtschaft. Nun konnte man den Grundbesitz aber auch frei verkaufen, vor allem aber teilen, woraus sich die später dann nicht mehr so sinnvolle Realteilung ergab (Grundsatz: gleiche Brüder, gleiche Güter). So veränderten die französischen Maßnahmen die Appenheimer Flur. Auch das Ortsbild wandelte sich, denn die Befestigung mit ihren Toren verschwand als Rest des „Feudalzeitalters“, manch neues Haus entstand, das aber- wegen der Tür- und der Fenstersteuer – zur Straße hin oft sehr verschlossen wirkte. Appenheim blieb jedoch ein großer Ort; so ergab eine Volkszählung von 1800/01 eine Einwohnerzahl von 595 Personen; darunter waren 481 Reformierte, 101 Katholiken und 13 Juden. Sechs Jahre später hatte Appenheim 589 Einwohner; von den 646 ha der Gemarkung waren damals 576 ha Äcker, 45 ha Weinberge, 23 ha Wiese und 2 ha Gebüsch. In dieser Aufstellung begegnen uns schon die neuen Maße, die ja von den Franzosen samt der einheitlichen Geldwährung eingeführt worden waren.
Alle Lebensbereiche waren seit 1798 von einer Erneuerung erfaßt worden. Viel Neues und Fremdes mußte verkraftet werden. Als „Fremdherrschaft“ haben sicher auch die meisten Appenheimer die Franzosenzeit nicht erlebt, denn dazu war ihr deutsches Nationalbewußtsein noch viel zu wenig entwickelt. Kritik gab es an anderen Folgen der französischen Herrschaft, an den unzähligen Verordnungen, den hohen Steuern, vor allem aber an der bislang unbekannten Aushebung von Wehrpflichtigen. Diese „Konskriptionen“ nahmen seit Napoleons Kampf in Spanien 1809 immer mehr zu und erreichten ihren Höhepunkt beim Krieg gegen Rußland (1812). Insgesamt sind über 20 Appenheimer in die napoleonische Armee (meist zum 16. Infanterieregiment) eingezogen worden. Davon kehrten nur fünf zurück, die übrigen 17 fielen oder blieben vermißt. Eine bittere Bilanz der Franzosenzeit, die insgesamt doch so viel Gutes gebracht hatte. Nach Napoleons mißglücktem Rußlandfeldzug und der Völkerschlacht von Leipzig fand sie im Winter 1813/14 ein jähes Ende.
Verfasser: Dr. Franz Dumont aus Mainz Beitrag von 1983
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